Rückblick Guatemala

Guatemala – 29.10. bis 23.11.2015

Ein Rückblick

 

16 Mio. Guatemalteken leben in diesem wunderschönen Land zwischen Pazifik und Atlantik in der Nähe des Äquators.

41% dieser sympathischen Menschen sind Indigene, Nachfolger einer frühen Maya-Kultur, 48 % sind unter 14 und 25% Analphabeten.

Deutschland ist 3x so groß, aber während bei uns 230 Menschen pro km² wohnen sind es in Guatemala nur halb so viele. Und noch eine letzte Statistik: Durchschnittlich erwirtschaftet jeder Deutsche 45.000 US Dollar an Waren und Wirtschaftsgüter im Jahr, ein Guatemalteke nur 3.000 US Dollar. Allerdings wären die meisten Guatemalteken froh, so viel Geld jährlich zur Verfügung zu haben.

Die Einkommens- und Vermögensverteilung ist hier noch extremer als in Deutschland (welches, was mich bei meinen Recherchen verwundert, bei der Vermögensverteilung auch schon fast einen lateinamerikanischen Standard erreicht).

 

Armut war während unserer Reise unübersehbar, obwohl wir uns überwiegend in Touristengebieten aufhielten, die herausgeputzt waren und in denen es schicke Cafés, Restaurants, Discotheken und Geschäfte gab. Kinder, die bis in die Nacht Süßigkeiten verkauften und Frauen, die ihre Kinder stillend auf der Straße saßen und ihre Handarbeiten anboten, gehörten zum Straßenbild.

Während unseren fast 4 Wochen dauernden Aufenthalts hielten wir uns ausnahmslos in touristischen Centren auf (Antigua und Tikal, beides Weltkulterbe der UNESCO, sowie Rio Dulce, ein weiteres Highlight jeder Guatemalareise), konnten aber dennoch, insbesondere durch unseren Schulunterricht einen kleinen Einblick in den Alltag der Menschen erhaschen. Die kleine Mittelschicht besteht aus gut ausgebildeten, meist jungen Menschen, die durch Internet und Fernsehen eine Sehnsucht nach einem komfortablen, sicheren und freien Leben haben. Aber ein solches Leben hier in Guatemala zu führen ist schwer: Gut bezahlte Arbeitsplätze sind rar. Der Mindestlohn beträgt 2.800 Quetzales, was aktuell ca. 320 Euro entspricht. Bei Lebensmittelkosten, die zumindest in Supermärkten das gleiche Niveau haben wie in Deutschland, sind damit keine großen Sprünge zu machen. Trotz der geringen Bezahlung verlangen einfache Tätigkeiten dennoch ein hohes Maß an Mobilität und Flexibilität. Der Sohn unserer Gastfamilie, Enrico, arbeitet im Wirtschaftsministerium in Guatemala Stadt. Um 4 Uhr fährt er zur Arbeit. Diese beginnt um 8.00 Uhr, abends um 6 bzw. 7 Uhr ist er wieder zu hause. Viel Zeit für ein Privatleben bleibt nicht übrig. Er lebt aus finanziellen Gründen noch bei seinen Eltern.

 

Die Familienbande sind eng. Moderne Familien wünschen sich allerdings nur 2 bis 3 Kinder. Ein Trauma allerdings für eine Frau nur Söhne zu haben. „Mädchen sorgen sich später mehr um ihre Eltern, von Söhnen hat man nicht mehr viel“ so der O-Ton meiner Lehrerin, die selbst aus einer akademisch gebildeten Familie kommt. Sie hat sich bewusst für „nur“ 2 Kinder entschieden, aber leider 2 Söhne bekommen. Die Verbindung der Töchter mit ihren Müttern ist eng. Karolina, die älteste Tochter unserer Gastfamilie, die ca. 200 km entfernt wohnt und arbeitet, ruft täglich 3x! an.

 

Das Land Guatemala, das wir sahen, ist ein schönes Land, wasserreich, mit einer unermesslichen Fauna und Flora. Alles blüht und gedeiht. Obst und Gemüse schmecken einzigartig. Und dennoch so große soziale und wirtschaftliche Defizite.

 

Aber wie so oft, der Reichtum eines Landes wird oft zum Fluch für seine Bewohner.

Zuerst eroberten die Conquestadores das Land, plünderten es, nahmen das Gold der Mayas und teilten das Land großzügig unter sich auf. Jahrhunderte später setzten dies die Großunternehmen, insbesondere die US-amerikanischen Obstriesen (United Food Company) fort. Der Reichtum des Landes wurde unter den Besetzern aufgeteilt und die Bevölkerung stellt meist die billigen Arbeitskräfte. Zwar wehrten sich die Menschen in Lateinamerika im letzten Jahrhundert, aber die USA wusste die Interessen ihrer Großkonzerne gut zu schützen. Die CIA spielte dabei häufig eine nicht sehr rühmliche Rolle. Korrupte Politiker und eine elitäre Oberschicht manifestieren diese Ausbeutung.

 

So wurde kurz vor unserer Reise der letzte Präsident Guatemalas mitsamt seines gesamten Kabinetts wegen nachgewiesener Korruption inhaftiert. Der neu gewählte Präsident, ein aus dem nationalen TV bekannter Komiker, beginnt seine Amtsgeschäfte im Januar 2016. Es herrscht eine vorsichtige Hoffnung auf Besserung.

 

Obwohl hier jeder Samen innerhalb eines Jahres zum Baum wird, es überall sprießt und gedeiht, wir selten so wohlschmeckendes und frisches Obst und Gemüse gegessen haben, ist die Ernährung der Bevölkerung schlecht.

Die Landbevölkerung, die überwiegend von Mikrolandwirtschaft lebt verkauft das frische Obst und Gemüse auf dem Markt und kauft vom Erlös Bohnen und Mais. Die wohlhabenderen Guatemalteken setzen auf die im TV angepriesene amerikanische Ernährung: Cola und Fastfood. Wer etwas auf sich hält, gibt seinen Kindern morgens einige Quetzales mit auf den Schulweg und davon wird dann Cola und eine Tüte mit Chips gekauft. Das Gewissen der „ernährungsbewussten“ Eltern ist dann beruhigt.

 

80% der Lebensmittel in Supermärkten und kleinen Läden sind Maischips, Limonaden und hochindustriell hergestellte Nahrungsmittel. Eine gesunde Ernährung ist mit diesem Angebot nahezu unmöglich.

 

Entsprechend sehen die Menschen aus. ¾ der städtischen Bevölkerung ist hoch übergewichtig.

 

Trotz der hier geschilderten Probleme und Missstände in diesem Land war der Urlaub in Guatemala wunderschön.

 

Wann haben wir uns jemals wie Tarzan und Jane gefühlt oder wurden durch das martialische Geschrei eines Brüllaffens geweckt? Unsere gesamte Topfblumenlandschaft sahen wir als erwachsene Bäume.

 

Interessant war für mich noch, dass der wohlhabende Guatemalteke Haustiere hat. Sehr beliebt sind deutsche Rassehunde. Pudel mit Hundemäntelchen, große Rottweiler, Schäferhunde sind im Straßenbild üblich. In einer Hunde-Parallelwelt existieren bemitleidenswerte Straßenhunde, die voller Ungeziefer und rappeldürr sind.

Das Beeindruckendeste an diesem Land aber waren für uns die Menschen.

 

Trotz aller Alltagsprobleme, strahlen die Menschen eine Gelassenheit und Lebensfreude aus. Sie sind zurückhaltend, aber sehr freundlich und immer hilfsbereit (ihr Wunsch zu helfen ist leider manchmal größer als ihre Kenntnis – und kann zum Problem werden, insbesondere wenn sie einen den Weg zeigen..).

 

Kein ständiges asiatisches „Madam you want…“, Händlerinnen bieten die Ware an, ein kurzes freundliches „No gracias“ beendet den Verkaufsprozess. Kein neugieriges Anstarren, ein Lächeln wird immer herzlich erwidert und jeder freut sich über eine kurze Plauderei.

Hier zu reisen war für uns sehr einfach: In sämtlichen Touristenorten kann man Luxusbusse buchen, sicher und schnell brachten diese uns überall hin für einem vergleichsweise sehr günstigen Preis. Die Sprachschulen in Antigua sind alle professionell und sehr preisgünstig. Für eine Woche (= 20 Einzelzeitstunden) bezahlten wir jeweils 135 Euro. Für eine Familienunterkunft in einem Doppelzimmer mit privatem Bad inkl. 3 Mahlzeiten pro Tag zahlen wir pro Person 120 Euro pro Woche .

 

Ein Doppelzimmer im Hostal kostete niemals mehr wie 35 Euro und meist war das Frühstück inbegriffen. Es waren immer Zimmer mit privatem Bad. (Auf das Fehlen von Haken und Schränken hat Waldi bereits hingewiesen).

 

Das Essen konnte man sehr preisgünstig gestalten, wenn man sich von den Angeboten der Straßenstände ernährte. Brote mit Salat und Fleisch oder Huhn gab es da schon oft für ca. 1 Euro, unser Favorit war ein Mexikaner, bei dem wir Empenadas mit Käse und Gemüse bestellten (ca. 7 Dollar) und während der Happy Hour konnte ich mir noch 2 Cola Rum für 1,20 Euro leisten.

Insgesamt war die guatemaltekische Küche nicht mein Fall. Wenig Gemüse, viel Bohnen und sämtliche Bohnenvarianten, insgesamt sehr kohlehydratlastig mit viel Zucker und Fett. Milchprodukte sind sehr teuer (3fache des deutschen Preises), Wein ist sehr teuer und hauptsächlich aus Chile und ich fand keinen der mir gut schmeckte. Als Vegetarierin war die Auswahl zusätzlich eingeschränkt, eine Gourmetreise war Guatemala für mich also nicht.

 

Insgesamt waren es aber dennoch wunderbare 4 Wochen.

 

Wir wünschen diesem Land und diesen Menschen, dass eine Regierung versucht den Reichtum des Landes gerechter zu verteilen und ein Gesundheits- und Schulsystem etablieren kann, dass die fleißigen und geduldigen Menschen verdienen. (Und hoffentlich mischt sich dann die USA in so einen Prozess nicht wieder ein, um die Interessen der Großindustrie zu erhalten).

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